Dienstag, 16. Oktober 2012

Zum Todestag der Mutter

mutter1

Heute, Montag, ist die Mutter 8 Jahre schon tot. Vielleicht fragt ihr euch warum wir hier darüber schreiben? Es ist wichtig für uns. Noch immer ist nicht allen Innen klar, das die Mutter tot ist. Und Abschied nehmen ist auch noch nicht wirklich passiert. Ich selber habe keinen besonderen Bezug zur Mutter. Allerdings weiß ich einiges über sie und über das Verschiedene was sie Auslöst. Einschließlich, der bis heute anhaltenden Schuldgefühle.
Ich muss dazu sagen die Mutter ist auch Täterin. Sie lebte bis zuletzt neben dem Vater.
Bei allem Gewirr der Gefühle, der verschiedenen Erlebnisse mit ihr, wünschte ich zuallererst, dass die Schuldgefühle weg gingen. Dieses “wir haben sie nicht genug geliebt”, “wir hätten für sie da sein müssen, sie war einsam”, “wir sind schlecht….” und so weiter. Immer wenn Innen jemand nah ist und in diesen Gefühlen steckt und ich sie dann mitbekomme, ist es als würden wir durchdrehen. Ich wüsste nicht wie es aushaltbar wäre, wenn nicht innen wieder jemand dafür sorgen würde, dass ich das nicht so mitbekomme. Es ist sooo schlimm und gehört, glaube ich, eher zu jüngeren Kindern.

Als sie starb, war sie 6 Jahre schon schwer Krank. Sie hatte ein Lungenemphysem. Sie hat nichts für ihre Gesundheit getan. Weder Bewegung, noch aufgehört zu Rauchen. Sie saß überwiegend auf ihrem Sofa, alleine und sah Fern. Wir hatten zuvor 6 Jahre keinen Kontakt mit ihr. Haben den Kontakt aufgenommen, weil wir erfahren haben das sie Todkrank ist. Dann brauchte sie aber eben noch diese weiteren 6 Jahre um zu sterben. Der Kontakt mit ihr war sehr schwer und meistens mit erneuten Verletzungen einhergegangen. Zum Ende schafften wir es nicht mehr ans Telefon zu gehen, wenn sie anrief (Schuldig!).
Unser Bruder rief uns Abends an und sagte das Mama gestorben ist – ich glaube er sagte eingeschlafen. Am nächsten Tag erfuhr ich, dass die Mutter abgeholt wurde und anonym Beerdigt werden sollte. Nicht einmal eine Trauerfeier gab es. Tot und weg. (Schuldig!) Keine Zeitungsanzeige, nichts. So einsam wie sie war, starb sie auch. Bekam sie was ihr zustand? Was bedeutet eine solche Form des Abschieds für die, die zurückbleiben? Die Enkelkinder?
Wir wussten sehr schnell das wir eine Form des Abschieds brauchen und riefen die Bestatter an. Die Frau schien fast erleichtert, das jemand zu unserer Mutter will. Für uns wurde sie halbwegs “nett” aufgebahrt. Am nächsten Tag führen wir mit Mieke und KiSch in Richtung Kindheit. Wir sahen sie noch einmal. (Übrigens war mir da auch noch gar nicht bewusst, das wir Viele sind) sie sah ganz anders aus, dieses weiße Kleid… sehr unheimlich, aber ich berührte sie auch. Sie war tot. Es war ziemlich schlimm dieser Tag. Der Ort, wo wir zur Schule gegangen sind und einiges anderes was noch dazu kam. Einfach zu viel um wirklich was zu begreifen. Trauer? Ich weiß es nicht.
In diesem Jahr fange ich an über dieses Erleben zu schreiben. Dem Erleben einen Raum zu geben. Nicht nur die Jahrestage abzusitzen und zu hoffen, dass sie vorbei gehen mögen.
Ich hoffe, das es nicht zu viel zum lesen ist für euch – aber es gehört dazu. Zu uns.
Danke für das Lesen!

14 Kommentare:

  1. Das ist ein Thema was verarbeitet werden muss, ganz klar und jeder verarbeitet anders. Puh ich wüsste nicht wie ich einen meiner Elterteile verarbeiten würde.Ich würde allerdings auch anonym beerdigen , aber nur weil ich diese nicht gepflegten Gräber hasse.
    Schulgefühle rauben auch Kraft, denn vergeben sollte vielleicht langsam erarbeitet werden. Ihr wollt doch irgendwann "frei" sein ? Vergebt Ihr und vorallem Euch, zu ändern ist nichts mehr was war, nur Ihr könnt Euch und Euer Leben und Denken ändern....Liebe Grüsse für Euch

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    1. Liebe Hauptstadtbesucherin,

      anonyme Begräbnisse sind ja auch ok, aber dennoch findet normalerweise eine Andacht oder so statt. Ich denke das brauchen hinterbliebene meist auch.
      Erstmal müssen wir lernen, das wir keine Schuldgefühle haben müssen - die Schuld liegt bei den TäterInnen - also auch bei ihr. Wir sind ihr nichts Schuldig! Aber hier sind innere Kinder und nicht alle haben nur schlimmes erlebt. Es braucht Zeit bis jeder hier weiß, was wichtig ist. Und Vergeben... da habe ich keinen Bezug zu. Ich will das nicht ausschließen, aber noch ist das kein Thema.

      Wir Danken Dir für Deine Worte!
      Sei lieb Gegrüßt, anja und co

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  2. liebe anja......es ist sehr schade wegen deine mama,sie ist mit schmerzen weggegangen,und ihr seit mit schmerzen geblieben.Schuldgefühle.....hm...ein grosses thema.Ich gehöhre auch zu den menschen,die nicht geliebt worden sind,von den Eltern,und verstehe alles sehr sehr gut.
    Frei werden?Sehr schwer,obwohl ich wünsche es euch.
    Vieleicht liesst die mama diesen Eintrag,und schickt euch ihre vergessene liebe,auf einer anderen art.
    Ein ganz warmen gruss und kuss
    Christa
    p.s VERGEBEN?Wie macht man das?Ich weiss nicht

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    1. Liebe Christa,

      wir wissen es auch nicht. Vergeben...
      ich denke wir können irgendwann sowas wie einen Frieden finden.
      Das wünschen wir Dir auch!

      Hab Dank für Deine Gedanken!
      Herzliche Grüße von uns

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  3. Schuldgefühle... ein schwieriges Thema.
    Leider ein Thema das einen auffressen kann, selbst wenn der Verstand weiß, dass man keine "Schuld" hat, hat man sie doch, die Schuldgefühle. Und die Frage "trage ich Schuld?". Hätte ich! Sollte ich? Was?
    Der Tod eines Elternteils löst immer etwas aus, ist immer schlimm, sogar unabhängig davon wie man zueinander stand.
    Der Tod überhaupt...
    8 Jahre... "Muss" man das in dieser Zeit verarbeitet haben? Ich denke nicht. Manche können es eher, manche später, manche vielleicht nie. (Ich selbst habe auch zwei Todesfälle in der Familie die ich noch nicht wirklich verarbeitet habe und ich habe das elende Gefühl, egal wie sehr ich es versuche, ich schaffe es nie.)
    Ich finde euer Vorhaben des Niederschreibens sehr gut und hoffe das es hilft.
    Liebe Grüße!

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    1. Lieber Troll, Liebes Honigmädchen,

      herzlichen Dank für deine Gedanken!
      Eltern haben noch mal eine ganz eigene Macht. Gut wenn sie diese nicht ausnutzen.
      Nein, an Zeit kann man es nicht festmachen. Auch kann man nicht wirklich was forcieren... man kann sich nur selber begleiten auf diesem Weg und hoffen das man auch im außen liebevolle BegleiterInnen hat.
      Das wünschen wir Dir!

      Ganz Liebe Grüße von uns, anja und co

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  4. "Am nächsten Tag führen wir mit Mieke und KiSch in Richtung Kindheit." G'tt dieser Satz! Himmel- jetzt weiß ich, wieso ich gar nie erst mitbekommen will, wenn unsere DNS- Komponenten tot sind.
    Es ist doch immer wie eine Fahrt zurück.
    Jeder Gedanke an Schuld, jeder Gedanke an Mitleid für Täter... ein Stück Weg zurück.

    Sich von dort wieder umzudrehen und verändert ins eigene Heute- Leben zu kommen.
    Das ist Trauerverarbeitung.

    *denk

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    1. Vielleicht gib es ein zurückblicken ohne ein zurückgehen??
      Und um das jetzt zu verstehen ist auch ein gewisses zurückblicken nötig - manchmal?

      Ich glaube, wenn der Vater sterben sollte, dann müssen wir gucken ob er wirklich gestorben ist. Auch bei der Mutter war es wichtig für uns.

      Seid lieb Gegrüßt und Danke :-)

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  5. Tod und Schuld ... ist schon ein komischer Zusammenhang. Aber so komisch er ist - er existiert - bei dir - bei mir - bei vielen vermutlich. Vielleicht ist das Wort Schuld gar nicht das richtige Wort. Vielleicht ist es eher ein Bedauern - ein Trauern um das was nicht war. Schreibe ich jetzt Quatsch?
    lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

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    1. Liebe Heidi - Trollspecht,

      nein, Du schreibst keinen Quatsch!!!!

      Mir fällt gerade ein, das unsere Therapeutin schon mehrmals sagte, das Schuldgefühle meistens nicht einem selber gehören sondern der anderen Person. Vielleicht ist da, wo Schuldig sein nicht das Thema ist, ein Bedauern für manches gewesene und nicht gewesene, in Form einer Trauer (phase?) da? Ich weiß es nicht.

      Sei auch lieb gegrüßt und Danke für deine Gedanken

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  6. ich habe das alles gelesen und die Kommentare dazu.. was soll ich sagen schuldgefühle knabberten wir auch noch einige herum auch wenn wir das alles Wissen.. doch was mir am wichtigsten in der heutige Zeit ist dass wir offen drüber reden jetzt dürfen auch mit dem Ehemann. Die Angst es nicht zu tun dürfen gerade wegen dieses Schuldsein wird immer geringer und da wir alle es laut ausreden können und dürfen hilft uns sehr viel dabei noch heute. Aber dieses Satz von dir: unsere Therapeutin schon mehrmals sagte, das Schuldgefühle meistens nicht einem selber gehören sondern der anderen Person! Das nehme ich für uns mit das bleibt irgendwie intressiert zurück in mir, es klingt bis in die Teifen hinein... also notiere ich es zum überlegen...
    und auch das keine schöne Kindheit gehabt zu haben, dass Eltern sie zerstörten und wir die drunter so gelitten haben.
    Schuldig wird gestrichen, niemand ist es hinschieben dort zurück und es Bildlich ihnen mit geben dort wo man es meint sie halten sich jetzt da auf im ewigen Etwas das uns nichts mher böses anhaben kann und keine die Schuldgefühle weg nimmt die falsch waren all die Jahre.
    Wir finden es sehr gut dass jetzt darüber geschreiben wird auf jedenfall!
    Ihr hilft auch andere damit so wie uns nochmal die Reste die da sind anzuschauen nochmal!
    Lieben Gruss Elke und ihre Bigfamily

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    1. Liebe Elke mit Bigfamily,

      Danke für Eure Worte!
      Es freut uns sehr das ihr für euch etwas mitnehmen konntet!
      Wir haben auch gelesen- und kommen aber noch mal wieder.

      Ja, jetzt darf geredet werden!!!!!!!!!!!!!!!!
      Liebe Grüße von uns

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  7. Ich lass Dir liebe Grüsse hier. Nun muss ich nachdenken, Du hast mit dem Post was angestupst. Nicht schlimm, nein, aber es wühlt auf.
    Elisabeth

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    1. Liebe Elisabeth,

      Danke! Und wir hoffen es ist ein positives aufwühlen!?

      Liebe Grüße von uns,
      anja und co

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