Donnerstag, 30. Oktober 2014

Klinikberichte gelesen

Heute haben wir für die Vielleicht-Therapeutin alle Klinikberichte der psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken rausgesucht. Sie würde die gerne lesen, wenn das für uns ok ist, weil sie dann vieles über die Anamnese nicht mehr abfragen müsste. Naja - ich weiß noch nicht ob es ok ist, aber wir bereiten es vor.
Mit Mai schon Sortiert - hier und da kurz angelesen. Krass. Später konnte ich dem Drang alles zu lesen nicht widerstehen. Also alle Bericht von Vorne bis Hinten gelesen. Der Erste ist von 1988, da waren wir 17 gerade 18 oder so. Wir haben immer dafür gesorgt diese Berichte auch für uns zu haben, weil wir wissen wollten, was über uns geschrieben wurde.

In fast allen Berichten stehen teils Unwahrheiten, teils Verdrehungen drin. In der Regel werden die eigenen Defizite benannt - nie aber die, welche es Seitens des Helfer_Innen_*systems gab. Es ist so krass schlimm. Es kommen ein paar Erinnerungen hoch. Auch teils die Lebenssituation in der wir waren und wie eine neue Klinik, ein neuer Versuch oft soviel Hoffnung in sich barg nach endlich guter Hilfe für uns. Die Enttäuschungen, wenn man dann dort war und erlebte, was es zu erleben gab. Zu Positiven letzten Sätzen in Berichten führte oft unsere Resignation und Anpassung ans System. Einmal haben wir diese Anpassung nicht geschafft und sind hochsuizidal aus der Klinik geflogen. Einzig weil wir der Oberärztin keine für sie ausreichenden Therapieziele nennen konnten. Ach, wir könnten zu jeder Klinik so vieles erzählen - es ist nicht mehr gut zu machen und für vieles reicht auch nicht die Entschuldigung, das die über DIS und Psychotraumatologie damals wenig oder kein Wissen hatten.

Dieses ganze Leiden. Suchen. Fragen. Infrage stellen. Misstrauisch sollen wir gewesen sein. Kein Wunder. Sind wir immer mehr auch geworden. Oder mindestens geblieben.

Anders wurde es ab 2004 auf der Traumastation. Wir hatten Glück mit der Therapeutin. 3 Aufenthalte waren dann eher Hilfreich. Der 4. eher schwierig, vor allem wegen des Teams, in Kombination mit unserer kleiner gewordenen Fähigkeit uns unkritisch anpassen zu wollen und können. Letztlich endet auch diese Klinikgeschichte mit Verletzung und letztlich ... ach.

So geballt kann es nur die Gewissheit geben, das wir nie wieder in eine Klinik gehen werden. Ich verstehe das, denn es gibt keine Klinik, die auf Augenhöhe mit uns arbeiten würde - egal wie viel wir gerade (nicht) könnten. Jedenfalls glauben wir, das es das nicht gibt. Vielleicht wenn wir insgesamt stabiler wären, unabhängiger und agiler (weil wir uns dann besser anpassen könnten?).

Die Depression und Suizidalität begleiten uns solange wir denken können, mal mehr mal weniger. Letztlich Leben wir halt immer noch. Es war nie so, dass wir das Leben nicht wollten. Es war nie so, dass wir nicht wussten, was es alles schönes gab. Es gibt Menschen die wir lieb haben und hatten. Wir haben unseren Humor und wir hatten immer viele Wünsche und Träume. Einzig unser Sosein unser unvermögen in der Gesellschaft einen Platz zu finden, unser Traumafolgen-Anders-Sein, unser "einfach nie eine ausreichende Lebensqualität zu erreichen" - macht uns Lebensmüde. Über die Zeit lässt auch diese euphorische Hoffnung auf eine neue Möglichkeit der Hilfe sich nicht mehr wahrnehmen.
Ich weiß nicht ob es diese Hilfe für uns noch geben kann.

Trotzdem gibt es Momente die gut oder auch schön sind. Momente wo ein wenig Hoffnung aufflackert, nach einem guten Gespräch. Wir möchten anders Leben. Wir haben dafür wirklich schon sehr sehr viel verschiedenes getan in den letzten vielleicht 30 Jahren. Wir glauben nicht mehr daran das wir mehr als ein Überleben erreichen/halten können. Wir haben keinen Einzigen unserer Lebensträume erfüllen können und Träumen trotzdem immer noch.

Wenn sterben nicht geht, dann ist nur Leben und Leben hat immer Vielleichts in sich. Immer.

Habt vielen Dank für Eure Kommentare! Wir freuen uns darüber und sobald es irgendwie ghet, werden wir auch noch Antworten! Danke!

3 Kommentare:

  1. Liebe Sternchen,
    erfahrungsgemäß ist die Behandlung in diesem medizinischen Bereich wirklich nicht befriedigend. Ich selbst habe das noch nie in Anspruch genommen, aber nahe stehende Menschen. Es wird zwar zugehört, aber die Hilfe zur Selbsthilfe fehlte fast immer. Du als Betroffene bist dann immer die Verlassene (mir fällt gerade kein passender Ausdruck ein). Ich wünsche Dir auf jeden Fall, dass sich für Dich nun eine bessere Lösung ergibt, eine einfühlsamere Therapeutin, eine die Dir Hilfe bringt.
    Hab einen schönen Tag!
    Liebe Grüße von Anne <3

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  2. ... ich würde so gerne zaubern können ...

    herzliche Grüße von Heidi-Trollspecht

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  3. Hey,
    ich freu mich euren Blog gefunden zu haben =) Schreiben hier verschiedene Anteile oder meistens nur einer? Ich bin auch Teil von einem multiplen System, aber mein Blog gehört mir^^ (aber weil es halt doch dazugehört, schreib ich auch oft über DIS Kram).

    Oje, ich kann mir wirklich vorstellen, dass das Lesen der alten Berichte viel hochgeholt hat. In Kliniken läuft irgendwie immer auch viel falsch und mich regt es immer extrem auf, wenn Professionelle so bescheuert auf DIS Erleben reagieren... aber ich freu mich, dass es doch auch die ein oder andere hilfreiche Klinikzeit gab!

    Ich wünsch euch alles Liebe und Gute!
    LG, Liv

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